Sonntag, 15. Februar 2015

Abgespaced, zwischen Weltraumschrott und Sternenglanz

"Man muss noch Chaos in sich haben, um einen tanzenden Stern gebären zu können." 
- Friedrich Nietzsche in "Also sprach Zarathustra..."

Ich hab mal wieder Bock auf was heiteres, lustiges, oder einfach nur schräges. Ein kleines Abenteuer. Eine Führung durch Raum und Zeit. Ein Rundgang im Raffiversum... Dabei? Dann mal los, wagen wir einen Flug durch mein Oberstübchen.

Es beginnt mit einem Gedanken, einem Input. Ein kleines Glimmen, ein Funkeln in der Dunkelheit. Es beginnt zu pulsieren, wird grösser, scheint zu leben... Und dann geht's los, rund um das Licht herum erwachen die Anderen. Die anderen Lichter, Gedanken, das Wissen, und die leben auch. Wir sehen wie die Lichter sich verbinden, mit feinen Leuchtfäden, dünn wie Spinnenseide. Weiter und weiter, immer mehr Lichter erwachen, immer neue Fäden, rasant wächst das Knäuel. Immer neue und immer mehr Lichter und Verbindungen und dann... BÄM! Das ganze Ding leuchtet heller als das Haus von so nem verrückten, selbsternannten Oberweihnachtselfen.

Zoomen wir mal rein... In diesem Gewirr einzelner Ideen und Gedanken und ihren Verbindungen, den Fäden, hats keinen Platz mehr, so könnte man meinen. Und doch, entlang der Fäden bilden sich neue Lichter. Wie Tautropfen, die sich früh Morgens in einem Spinnennetz fangen und dann mit den ersten Strahlen der aufgehenden Morgensonne in goldenem Glanz aufleuchten. Neue Ideen, neue Gedanken, neues Wissen, so werden sie geboren. Und das alles passiert einfach so, ich kann dabei zusehen. Ein Funke genügt und ein Feuerwerk geht los, ein Feuerwerk, das mir so vieles erzählen kann. Ist hochinteressant!

Quelle: http://static.cosmiq.de/data/de/222/19/22219c1946ed8544029dc2ec2eded7c9_1_orig.jpg

Vor einer Weile ist mir aufgefallen, wieviel Ähnlichkeit die Entwicklung meiner Gedanken, wie ich sie erlebe, mit der Sternentwicklung hat. Zu Beginn ein Staubkorn, Andere kommen dazu, eine Staubwolke bildet sich. Je dichter die Wolke, desto heisser wird sie und puff... wird ein Stern geboren. Manchmal sammelt sich mehr an und es kommen Planeten dazu. Diese "Sternensysteme" sind Themen, Planeten sind Detailwissen und Subthemen. Und Ansammlungen von Sternensystemen, alias Galaxien, sind Themengebiete, Galaxienhaufen dann Disziplinen (Bio, Chemie, Mathe usw...). Verrückt genug? Nein? Dann weiter... ;)

Wenn ich nachdenke, betreibe ich genau genommen Gedankenastrologie. Ja, ist so! Die relative Bewegung relevawaa... Wie, zu hochgestochen? Hmmm... Ja, schon. Also, ich kuck hin und wie sich die Dinger bewegen sagt mir, was ich wissen muss. Zum Beispiel, die Venus steht im dritten Quadranten des Hasenköttelsternbilds, heeeeeiiisst... Ah ja, 3+3=6. (Scheisse, bin ich gut... XD) Auch ohne Witze, das ist in etwa der beste Vergleich, den ich finden konnte.

Je nachdem über was ich nachdenke, lösen sich die relevanten Teile aus dem "Raffiversum" und beginnen ihren Tanz. Würdest du die Nahtstellen eines Fussballs mit Licht nachzeichnen und dann mehrere davon, einander überlappend und sich drehend, in ein dunkles Zimmer hängen, so hättest du etwas das aussieht, wie bei mir ein "tiefgründiger Gedankengang" aussieht... Ach ich liebe es in diese Welt einzutauchen und mir beim Denken zuzusehen, das macht Spass. :)

Aber bei all den tollen, tiefgreifenden Gedanken muss ich doch eines sagen, da fällt auch Schrott an, uuuund wie! Was ich eins an Schnapsideen produziere, da wär ich auf ewig konserviert, müsste ich den Schnaps auch trinken... Manchmal tanzen bei mir die Sterne auch aus der Reihe. Schade ist nur, dass viele einen Teil meines Humors nicht teilen, bzw. nicht lustig finden. Dabei lässt sich mit der Schludrigkeit unserer Sprache doch soviel Schabernack treiben. Reframing ist ein Spiel für die Götter! Aber da muss ich mich wohl an die Briten wenden... Sprachbasierten Humor findet man hier wenig und schon gar keinen so tiefschwarzen.

Und natürlich diese angedachten Dinger, diese halbfertigen Planetchen, die wie ein angebissenes Stück Brot liegen gelassen werden, bis die Flauschigkeit eines Haustiers erreichen... Ja, die muss man entsorgen. Wenigstens geschieht das in der Birne automatisch. Müsste ich da auch noch aufräumen, wie zu Hause, na dann gut Nacht! XD

Jaja, schon verrückt, was da so alles abgehen kann. Schwierig wird es erst beim Übersetzen. Läuft so ein Gedankengang erstmal auf Hochtouren, kann ich diesen nur schwer in Sprache fassen. Unsere Sprache ist ein zweidimensionales Gebilde, zu flach um meine Gedanken eins zu eins auszudrücken. Das heisst, ich darf erst mal aus 3D Gedanken 2D Sprache machen und dann das ganze noch "auf den Punkt bringen", also doch 1D, oder wie jetzt? Das nennt sich nicht mehr zurechtstutzen und auch nicht beschneiden, das ist eher schon verstümmeln.

Aber immerhin, ist mir langweilig, lass ich die Sterne tanzen, das Chaos sich entfalten und doch, am Ende macht alles wieder Sinn.

Der weisse Raum

Stell dir mal vor... Ähhh... Ja, was jetzt? Was wollt ich nochmal sagen? (Und das ist der Moment, in dem das Gehirn komplett abstürzt.)
Du kennst das auch? Tja, das ist es, was ich den "weissen Raum" nenne. Es gibt da eine Szene im Film Matrix, in der Neo und Morpheus sich in einen Matrix-Simulator einloggen. Direkt nach dem Einstieg finden sich die beiden in einer Art weissem Raum, sie stehen auf einem weissen Boden und in allen Richtungen ist ein gleichmässiges, von allen Seiten erleuchtetes Weiss zu sehen. Keine Schatten, keine Konturen, nichts. Genau so fühlt es sich an. Mein Gehirn läuft ins Leere und damit endet jede Form von innerem Feedback.
 
Bild aus der Ladeprogramm-Szene in Matrix, Quelle: https://johnkennethmuir.files.wordpress.com/2011/08/matrix5.jpg


Es gibt drei Situationen, von denen ich definitiv weiss, dass sie mich in genau diesen Zustand versetzen:
  1. Zu offene Fragen, Aussagen oder Anweisungen:
    Für viele solcher Situationen hab ich Automatismen entwickelt, die mir schnell einen Ausweg bieten. Oftmals übergehe ich Fragen oder Aussagen dieser Art. Bei Arbeitsanweisungen baue ich mir eine Struktur und frag nach ob das geht. Aber, da sind immer wieder diese Fälle, in denen das einfach nicht geht. In diesen Momenten machen die Fragen oder Aussagen einfach keinen Sinn, da macht nichts mehr Sinn...
  2.  Paradoxa:
    Nein, nicht die lustigen, über die man sich stundenlang den Kopf zerbrechen kann... Sondern die, die im Alltag auftreten. Wenn Menschen sich widersprechen. Und dann am besten noch behaupten, dem wäre nicht so. Ich erklär das mal anhand einer Arbeitsanweisung: "Raffi, im Plan steht, du musst Teile A und B zusammenstecken und mit Teil C festmachen. Also funktionierts indem du den Hammer 
    nimmst und Teil X in A einschlägst und verbrenn danach B, das sollte halten." Weist man sie dann darauf hin, tun sie beleidigt oder finden "Hab ich ja gesagt." Uuuuund tschüss, ab mit mir in den weissen Raum.
  3. Frauen:
    Jaaa, die kriegen das auch hin... Naja, einige wenige zumindest haben's hingekriegt. Sie machen mich sprachlos, verwirren mich, flirten mit mir und und und, nichts womit ich nicht umgehen könnte... Aber in den "weissen Raum" haben mich nur wenige geschickt. Die Eine hat mich darin hängen lassen, schade. Die Andere, die hab ich hängen lassen, richtiger Mist...
Wo genau liegt nun das Problem? Einfach, Struktur- und Kontrollverlust würden sonst mich wohl komplett aus der Bahn werfen können. Stattdessen lande ich einer Art Schutzprogramm, ein abgesicherter Modus meines Gehirns. Nun scheint dies erstmal positiv zu sein. Doch nein, erst legt mich dieser "Modus" kurzzeitig lahm und dann darf ich nochmals von vorn beginnen mit dem Denken. Zeitverlust und sehr energieraubend. 

Wie man sich sowas vorstellen muss? Naja, ich stell mir so die Schwerelosigkeit vor. Zumindest in einigen Fällen, wenn ich selbst das Gefühl von Bodenhaftung nicht mehr habe. Du kannst dir vorstellen, du schwebst da im weissen Nichts. Wedelst du mit den Armen, fühlst du keinen Luftwiederstand. Strampelst du mit den Beinen, stösst du nie auf einen Boden. Du hängst mitten in der Leere, mit nichts als weiss rund herum, das grässliche Sterilweiss wohlgemerkt. Mein eigener kleiner Weltraumsimulator.

Schon verrückt, was so alles in so einen Schädel passt... :)

Mittwoch, 4. Februar 2015

„When Harry met Sally...“ damals und heute

(Dies ist ein Text, der im Rahmen des Deutschunterrichts als Hausaufgabe entstanden ist. Hier passt er allerdings sehr gut rein. Ein kurzes Zückerchen. :D)

Wenn Menschen aufeinandertreffen, geschehen die merkwürdigsten Dinge. Wenn Menschen aufeinandertreffen, gelten aber auch Regeln, viele davon sind sogar ungeschrieben und nur wenigen wirklich bekannt.
Im englischen Sprachraum werden Geschichten, die solche sozialen Situationen beschreiben, oft mit der Filmreferenz „When Harry met Sally…“ eingeleitet. Dass dieses Thema bereits viel älter ist, zeigen jedoch Werke, wie die Radierung von Paul Klee (Bild).
Quelle: http://www.klausjuergenbecker.de/uploads/pics/Paul_Klee_zwei_Herren_im_hoeheren_Stande_waehnend.jpg
 
In sozialen Situationen gelten ungeschriebene Gesetze, die vermutlich auf den Ursprung der Menschheit zurückgehen, die jedoch alle paar Generationen einen neuen Anstrich erhalten. Dies nennt sich dann Kultur.
Verhaltensforscher wissen, dass es in sozialen Gefügen üblich ist, dass sich erst eine Rangfolge ausbildet, es sei denn, diese ist bereits künstlich festgelegt (Chef-Mitarbeiter/Adel-Gemeiner/Offizier-Soldat). In der Regel bildet sich diese Rangfolge innert wenigen Minuten durch Interaktion, wobei Körperhaltung, Gestik und Stimmlage den/die Anführer/in der Gruppe bestimmen. Aus Beobachtungen in der Verhaltensforschung ging hervor, dass bei Männern eine offene, aufrechte Haltung, Körpermasse, ruhige, weit ausholende Gesten und eine tiefe Stimme einen entsprechend hohen Rang suggerieren, während bei Frauen ironischerweise die physische Attraktivität eine grosse Rolle spielt, selbst in reinen Frauengruppen. Dies dürfte damit zusammenhängen, dass diese Eigenschaften eng mit den wichtigsten Eigenschaften für das Überleben der Spezies verknüpft sind.
Mit diesem Hintergrund wird klar, woher das Dilemma kommt, das Paul Klee in seiner Radierung eingefangen hat. Selbst heute machen Kleider noch Leute, damals (ca. 1900)  war dies noch weitaus offensichtlicher. Deshalb ist die Nacktheit der Dargestellten ein zentraler Punkt. Den Herren fehlt jegliches äussere Anzeichen für Status, weshalb sie den höfischen Bückling machen, um herauszufinden, welchen Rang der Andere besitzt und um auf Nummer sicher zu gehen.
Vor Allem in der heutigen Arbeitswelt führt dies öfter zu Spannungen. Die Hierarchien in der Arbeitswelt spiegeln nicht zwingend die soziale Hierarchie wider. Führung erfordert nicht mehr nur die richtigen Wesenszüge sondern auch Titel, aber Titel machen einen nicht zwingend zur Führungspersönlichkeit.
So geht dieser Tanz weiter, nur die Figuren ändern und der Takt scheint zu beschleunigen.
In diesem Sinne: „Tanzt! Denn der König hat Laune.“

Donnerstag, 29. Januar 2015

Akzeptanz + Toleranz = Mummenschanz

Dieses Thema ist heikel und relativ komplex. Ich weiss nicht, ob es nicht noch zu früh ist, dass ich das jetzt anspreche, doch es ist definitiv nötig. Es geht um Akzeptanz und Toleranz, bzw. das Vortäuschen derjenigen.
Nun, knappe 25 Jahre in denen ich regelmässig mit Personen konfrontiert war, die zwar vorgaben offen und tolerant zu sein und die Leute zu akzeptieren wie sie sind, habe ich eines gelernt… Die wenigsten sind es wirklich! Oft sitzen die Vorurteile, die ihnen eingetrichtert wurden zu tief…  Und oft sind es die Instinkte, die reagieren, gegen derer sie nicht Herr werden.

Als Gesellschaft haben wir uns seit jeher mit unseren Tabus und Paradigmen mehr geschadet als genutzt. Dereinst galt die griechische Kultur als die weitest entwickelte. Dies war derart unumstritten, dass die Römer diese in vielen Aspekten einfach übernahmen und adaptierten, ohne die Fehler auszubessern wohlgemerkt. Dann haben sie diesen Schimmel weiter geschmückt und zu Tode geritten. Ca. 450 n.Chr. haben sie die Karre in den Dreck gefahren und die darauf folgenden dunklen Zeiten des aufkommenden Christentums haben ihn mit reichlich Mist zugedeckt. Was geschah dann? Ein paar Jungs sind beim Spielen über ein Wrack gestolpert und beschlossen die Karre aufzumöbeln, Renaissance nannte sich das… Die haben allen Ernstes die selbe alte Kamelle wieder zum Rollen gebracht, anstatt sie auszuschlachten und heute fragen wir uns, wieso unser „Wagen“ so marode ist.?.

Diese Muster ziehen sich durch unsere Geschichte und gleichzeitig hören wir dauernd, dass nur Querdenker die grossen Änderungen bringen. Ich meine es gibt verdammt nochmal „Think outside the Box“-Seminare… Hallo? Wir versuchen Leuten ab Stange beizubringen, wie sie frei und kreativ denken können, nachdem wir sie in ca. 10 Schuljahren so schön auf Stangenmasse gebracht haben. Es gibt sie in den Grössen „nichtsoklug“, „normal“ und „sehrklug“ anzuwerben, oder seh ich das falsch? Frag dich mal.

Genug Geschichtsstunde und Soziologievorlesung, wir waren bei den Paradigmen. Paradigma heisst „Das Ungesagte“, sprich es sind die Bedingungen, die wir stillschweigend akzeptieren (müssen). In unserem Leben gibt’s tausende davon! Such dir schnell 3 Gegebenheiten, bei denen du jemanden fragen kannst „Wieso ist das so?“ und die Antwort ist „Ist halt so, kann man nicht ändern.“ Na, wie viele mehr als 3 sind dir eingefallen? Das Problem ist, dass wir mit so vielen dieser Paradigmen leben, dass wir keinen Überblick mehr haben. Zudem beissen sich diese oft noch und jeder stellt sich mit seinem Wertesystem noch ein eigenes Set an Paradigmen zusammen.

Ein Beispiel: Kürzlich haben sich die BLT (Baselland Transport AG) einem riesigen Entrüstungssturm stellen müssen, da sie Bilder einer Kampagne, die für mehr Verständnis und Akzeptanz für Homosexuelle wirbt, nicht auf ihren Werbeflächen zeigen wollten, da diese zu anstössig seien. Nun, nach Jahrzehnten mit vielen solchen Kampagnen sind wir an einem Punkt angelangt, an dem sich Homosexuelle in der Schweiz nicht mehr verstecken müssen. Sie müssen keine Angst mehr vor Strafverfolgung haben und sie werden auch nicht mehr von wütenden Mobs mit Mistgabeln aus der Stadt getrieben. Alles gut, oder? Nein… Ich ziehe meinen Hut vor den Verantwortlichen bei der BLT, für den Mut, eine solche Meinung öffentlich bekannt zu geben, denn es ist wenigstens ehrlich. Das Paradigma zum Thema Homosexuelle  lautet nämlich „Die darf man nicht offen ablehnen, denn sie gelten als gesellschaftlich akzeptiert.“ Und da liegt der Hund auch begraben.

Wir haben die Ablehnung Homosexueller aus der Salonfähigkeit verbannt, nur um sie damit zum unkontrollierbaren Schwelbrand zu machen. Oder kannst du etwa ungelogen behaupten nie irritiert gewesen zu sein, wenn Homosexuelle ihre Sexualität offen ausleben (genau so offen, wie Heteros), bzw. niemanden zu kennen, der im Kreise von Freunden offen seine Abneigung zur schau stellt? AHA! Also doch… Da wird kräftig mit zweierlei Mass gemessen! Und das gleich doppelt, denn in diesen halbprivaten Gesprächsrunden, bei denen diese Abneigung zu Tage tritt, wird klar, dass bei „Homosexuellen“ oft noch kräftig zwischen Männern und Frauen unterschieden wird (Dabei schneidet das jeweils eigene Geschlecht meist schlechter ab). Das selbe gilt für den Rassismus, sämtliche „Identitätsfragen“ (Bsp. Transsexualität, sexuelle Präferenzen, Berufswahl, Rollenmodelle Mann/Frau usw.) und ebenso für viele Krankheiten, Entwicklungsstörungen und Verhaltensauffälligkeiten.

Mit diesen Paradigmen des „institutionalisierten Nichtausschliessens“ und der „gesellschaftlichen Zwangsakzeptanz“ haben wir einfach eine neue weisse Weste über die verdreckte Alte  gezogen, statt diese wegzuwaschen. Ist das nun besser als das alte Vorgehen? Gelebte Redefreiheit ist das nicht! Quand même, je ne suis pas Charlie. Im Gegenteil, die Salonfähigkeit (ist sowas wie DAS OBERPARADIGMA) sagt mir heutzutage klar, wem ich welche Lüge vorzulügen habe.

Sicher fragst du dich, in welchem Zusammenhang dies zu mir steht, oder? Naja, einerseits hab ich die Schnauze von Heuchelei und Selbstverleugnung sowas von voll und andererseits bin ich mit einer Diagnose wie „Asperger-Syndrom“ prädestiniert für eine Rundumschubladisierung. Früher auch schon, „Schnuuri“ war so ein Label, „Fett-irgendwas (-klopps,-sack u.ä.)“ ein Anderes… Nichts schönes, das kann ich dir sagen! Und heute hab ich das nächste an der Backe…

Viele Asperger-Betroffene bezeichnen sich selbst mit dem Begriff „Aspi“ (bzw. englisch Aspie) und für die „Normalos“ wurde der Begriff „Neuro“ (kurz für neurotypisch) geprägt. Mindestens ebenso viele Betroffene lehnen den Begriff ab, da er sie „auf ihre Kondition“ reduziere und in die selbe Kerbe schlagen auch viele Eltern mit dem selben Argument. Hier schön auf den Punkt gebracht (längeres Video, nur in Englisch verfügbar):  http://youtu.be/vdrl9kt6v2I . Nun mit dem Label „Aspi“ hab ich noch sehr wenig Bekanntschaft gemacht, aber mit Labels an sich dafür umso mehr…

Mein Problem mit dem Gedanken, mich auf irgendwelche Anomalien in meiner Psyche untersuchen zu lassen, war genau das, die Angst vor dem Label, dessen Macht über mich ich nicht mehr brechen kann (Wer wissen will was ich meine, der frage einen zu Unrecht der Vergewaltigung Beschuldigten!). Wie Eingangs erwähnt, ich lebe bald 25 Jahre mit meinem Körper und meiner Psyche. Es gibt keinen Spezialisten oder sonstigen Menschen der nur ansatzweise soviel davon kennt, bzw. versteht. Ich weiss wie nah ich am „Neuro“ drann bin, weshalb schon viele mit „Du doch nicht!“ reagiert haben. Aber ich weiss auch, wie verlockend es sein muss, gewisse unangenehme Seiten und  Ansichten an mir einfach zu ignorieren, indem man sie in die „Aspi“-Schublade knallt… Das ist mit das Schlimmste was man tun kann, jemandem der sehr wohl bei Verstand ist (Und WIE! Wer mich kennt, der weiss was ich meine.) die „Vollwertigkeit“ abzuerkennen aufgrund einer genetisch bedingten Kondition.

Ein Asperger-Spezialist, Tony Attwood, meint dazu: „Das Handicap eines Aspis ist seine Umwelt.“ Und er behält recht. Asperger bedeutet unbestreitbar, dass da Dinge anders funktionieren. Aber ist anders gleich falsch? Kannst du etwas für deine Augenfarbe? Oder Hautfarbe? (Guter Vergleich übrigens!) Wenn nicht, dann verstehst du vielleicht, wieviel ich für die Funktionsweise meines Gehirns kann. Überleg mal, wie sich das dann anfühlen muss, wenn du mich deswegen nicht für voll nimmst… Damit wären wir beim Kern und beim Schluss. Überleg dir, wie du dich fühlen würdest, wenn du für etwas ausgestossen, schlecht behandelt oder nicht ernst genommen wirst, für das du nichts kannst…

Was will ich mit diesem Text sagen? Schliessen wir den Kreis. Meine Beobachtung hat mir gezeigt, wie Menschen auf „Anders“ reagieren. Sie hat mir auch gezeigt, wie echt Akzeptanz und Toleranz in dieser Gesellschaft sind. Meine Erfahrungen haben mich gelehrt, was es bedeutet einen Stempel aufgedrückt zu kriegen. Die selbe Gesellschaft hat mich das „Anders sein“ fürchten gelehrt. Und doch steh ich heute hier zu mir und allem, was mich ausmacht, so auch dass ich ein „Aspi“ bin.

Kannst du mich so akzeptieren? Bedingungslos? Ich sage nicht, du sollst alle meine Marotten tolerieren, im Gegenteil, wenn ich scheisse baue, dann sag‘s mir gefälligst. Aber kannst du einfach, ohne voreingenommen zu sein, auf mich zukommen und sehen, was sich unsere Welten gegenseitig zu bieten haben?
 

Samstag, 24. Januar 2015

Raffi und die phösen Männer (und Frauen)

Sie sind dunkle Gestalten, in schwarz oder oliv-camo gehüllt, ihre Schritte ob der Schuhe schwer. Sie umgeben sich mit bizarren, sinistren Klängen und sind die Vorlage für waschechte HartzIV-TV Satanisten.

METALHEADS!

Diese obskure Gesellschaftsgruppe ist oft so phöse, dass sich Bierhumpen vor Lachen vom Tisch schmeissen. Die sind so dermassen phöse, die NÄHEN Bildchen ihrer Lieblingsbands auf Jeanswesten und hüpfen am helllichten Tag händchenhaltend über Blumenwwwaaaaaassss?!?!?!?!?!!!
Quelle: http://metalheadcovers.co.uk/wp-content/uploads/2012/11/LB5Z29371.jpg

Oooohhhhh, Leudeee, PHÖÖÖÖSEEEEE!!! STAY PHAD, erinnert ihr euch nicht?... Immer diese "Kräuter"-Metfreunde. o.O

Ok, jetzt ists raus... Wir sind gar nicht sooo phöse wie wir tun. Das ist gelebter Zynismus! Ehrlich, Leute, die meisten Metalheads sind ein Spiegel der Gesellschaft, ein Zerrspiegel. Wir hören brachialen Sound mit harten Texten voller Wut, Mord und Totschlag, von tiefen, harten Stimmen zum Besten gegeben. Sowas wie "Wir sind Verteidiger!!!, des wahren Blödsinns, Krieger in Schwarz-Rosa-Gold". Aber abseits des martialischen Erscheinungsbild und dem "organisierten Lärm", den wir Musik nennen, sind wir sehr freundliche,  friedliche und umgängliche Menschen und die meisten von uns akzeptieren einander eifach so wie wir halt sind. Wir mögen auch Kätzchen und Hündchen und Pferdchen und Schweinchen. Jaaah, die letzten zwei am liebsten vom Grill, aber sei's drum. 

Die "zivilisierte Gesellschaft", die wir so erfolgreich parodieren, kennt diese Elemente auch. Sie ordnen sie aber anders an.

Sie hören (mehr oder weniger) harmonische Musik mit freundlichen Texten. Und hinter umgänglichen Masken verstecken sie Personen voller Wut. Sie schicken Krieger, denen sie weismachen, Verteidiger zu sein zu irgendwelchen armen Hunden, damit sie sich dort wie die Schweine benehmen. Mit brachialer Gewalt verüben die dann organisierten Mord und Totschlag und wenn sie wieder zu Hause sind kennen sie nur zwei Themen, Kätzchen (also Frauen) und Pferdchen (Brummbrumm).

"Spass" beiseite, die "schwarze Szene" (Überschneidungen mit der Goth-Szene sind manchmal vorhanden) hat vielen eine Heimat geboten, die sonst keine gefunden haben.

Studien haben geziegt, dass sich in dieser "Peer-Group" sehr viele überdurchschnittlich intelligente Menschen sammeln, da die Klangstruktur im Metal sehr komplex ist und komplexe Klangstrukturen, wie auch in der Klassik, sind schwerer zu erfassen. Pop und Schlager dagegen sind strukturell eher einfach.
Aus persönlicher Erfahrung weiss ich, dass einigee aus meinem damaligen Umfeld selbst eine schwierige Geschichte haben und das prägt einen. Wer selbst einmal die Erfahrung gemacht hat, was es bedeutet langfristig regelmässig erniedrigt und fertig gemacht zu werden und dies übersteht, ohne antisoziale Persönlichkeitszüge zu entwickeln, der wird danach erst recht sozial sein. Wer weiss, was es bedeutet zu leiden, der versucht es Anderen zu ersparen... Die Anderen sind oft einfach tolle Menschen, die erstmal hinschauen und dann erst entscheiden ob sie dich mögen. Vorurteile sind selten und mag man sich nicht, geht man sich aus dem Weg, es ist genug Platz für alle da.

Vielleicht fragst du dich jetzt einige Dinge. Wieso Metal? Die Lautstärke an Konzerten muss doch für Lärmempfindliche noch x-fach schwerer zu ertragen sein, als für normale Menschen, oder? Und die ganzen Leute, das muss doch erst recht belasten...

Nun ja, damals haben 100dB dröhnende Base Drumm und kreischende, verzerrte E-Gitarre Freiheit bedeutet, ich war frei von der Gesellschaft, frei von Pflichten und Bürden des Alltags und frei von all den schmerzhaften Erinnerungen der vergangenen Jahre. Der Sturm der Klänge, den die Bands entfesselten, glich dem meiner Gefühle und die Welten, Aussen und Innen, schienen in Harmonie. Ich konnte im Sound untergehen und in der Menge. Tolle Erfahrung.

Kaum jemand, den ich zu jener Zeit kennen gelernt habe, ist so ignorant und auf seine Vorurteile versessen, dass er sie nicht überwinden könnte. Keiner schien unfähig den Anderen zu akzeptieren. Eine Gemeinschaft mit grosser Vielfalt, mit ihren Gemeinsamkeiten und ihren Differenzen, aber friedlich in Mit- oder Nebeneinander.

Wieso singe ich dieses Loblied hier? Nun, wenn ich betrachte, wie gross meine Chance in einer Anderen Umgebung gewesen wäre, die selben Erfahrungen zu machen, dann wird die Auswahl schnell sehr klein. Ich wurde zum ersten Mal einfach akzeptiert, ob jemand mich mochte oder nicht, entschied er/sie dann selbst, aber meine Anwesenheit wurde geduldet und wer mich nicht mochte ging, mir aus dem Weg, anstatt mir Steine in den Weg zu legen. Ich habe dabei wohl auch sehr viel gelernt, denn in der Retrospektive war ich oft stärker von Vorurteilen beeinflusst, als Andere. Auch das "Programm Sozialverhalten" dass ich mir von der ach so braven und gut erzogenen Gesellschaft abgeschaut habe, war  oft wesentlich weniger human und sozial, als das was ich im Kreis jener "dunklen Gestalten" erfahren habe.

Leute, DANKE! Es war an der Zeit, dies zu sagen. Danke für die Lagerfeuerrunden irgendwo im Nirgendwo, bei denen wir uns  halb totgelacht haben. Danke für die durchzechten Nächte und das Kehle-herausbrüllen während und nach Konzerten. Danke für die volkommen bekloppten Runden in Bars und auf Festivals. Danke an euch, ihr vollkommen bekloppten, ultraphösen Männer (und auch Frauen ;D)!

Freitag, 23. Januar 2015

Wenn mit dem Strom gegen den Strom ist

Bist du schon mal gegen den Strom geschwommen?

Lassen wir mal diese ganzen altklugen Sprichwörter beiseite und nennen die  Dinge beim Namen. Gegen den Strom schwimmen bedeutet einen riesigen Aufwand an Energie, Nerven und Zeit. Jedes Kind weiss das und wenn nicht, findet sich immer ein Elternteil, der es ihm einbläut, das könnt ihr mir glauben. Doch was, wenn gegen den Strom eben doch richtig ist?

Niemand von uns würde bezweifeln, dass es richtig war, sich der Nazi-Ideologie im 3. Reich zu erwehren. Ebenso würde kaum wer es (mehr) wagen das Handeln von Olympe de Gouge, der „Urmutter“ der Frauenrechtsbewegung, als falsch zu bezeichnen. Und doch, die Leute schwammen gegen den Strom. Regimegegner wurden deportiert, erschossen, misshandelt und die gute Olympe verlor den Kopf ob des Wirkprinzips einer Guillotine… Würden wir so handeln? Eher nicht!

Mir stellen sich da zwei Fragen. Kann es richtig sein, gegen den Strom zu schwimmen? Und wenn ja, wann?... Ich denke, wir können uns beim ersten Punkt auf ein klares JA einigen. Beim zweiten wird’s schwierig und auf diese Debatte gehe ich jetzt nicht ein. Ich bitte dich nur, dir folgende Fragen durchzudenken: „Wenn du dich selbst verraten musst um mit dem Strom zu schwimmen, ist es dann nicht klüger gegen den Strom zu schwimmen? Und ist es überhaupt richtig davon zu sprechen, gegen den Strom zu schwimmen, wenn du dabei du selbst bist? (Ist unsere Welt wirklich nur zweidimensional?)“


Denk bitte wirklich einen Moment darüber nach und wenn möglich, fühl darüber nach.


Behalte deine Gedanken und Gefühle präsent, ich muss hier kurz ausholen um meine Sicht und meine Geschichte aufzuschlüsseln:

Die ersten dieser Erinnerungen setzen im Alter von 4 – 5 Jahren ein. Wir sind eben umgezogen, neue Wohngegend, neuer Kindergarten, neue Kinder, ein Albtraum. Wenn ich vorher einfach „Raffi“ war und so gut war, so war ich’s hier nicht mehr. Meine spannenden Phantasiegeschichten wurden zu blöden Kinderlügen, meine Eigenarten wurden zu übergrossen Zielscheiben, vom "Raffi" in der Gruppe wurde ich zum Sandsack der Gruppe... Gebrandmarkt und Ausgestossen.
Was das wirklich bedeutet versteht nur, wer selbst zu einer Personengruppe gehört hat, die massiv unter Beschuss steht. Und glaubt mir, es sind mehr als sich die meisten eingestehen wollen! Mit den nächsten Erinnerungen will ich auch gleich ein Gedankenexperiment mit euch starten. Macht mit und ihr erhaltet vielleicht einen Einblick der euch eine Ahnung davon vermittelt, was es heisst „anders zu sein“.
Ich bin anders, das hatte ich festgestellt. Doch ist anders nun richtig oder falsch? Fragen wir mal meine Mitmenschen in meinen Erinnerungen.  Ich schildere gleich einige Situationen, versetz dich hinein und kuck was du fühlst, wie du dich fühlst. (Gedankengänge sind kursiv geschrieben)

Schule, der rote Platz (6-9 Jahre alt):
Pause, na toll, drinnen bleiben dürfen wir nicht und alle ruhigen Plätze gehören auch zu den verbotenen Zonen. Zudem hat Mami gesagt ich soll mit den Anderen spielen… Na gut, ich versuch’s mal wieder, vielleicht lassen sie mich diesmal einfach nur mitspielen. Weit gefehlt, kaum betrete ich „den roten Platz“ (roter Hartgummibelag) hör ich die leisen, getuschelten Kommentare. „Oh neeeein, Raffi  kommt.“ und „Wieso der schon wieder?“
Erste Beleidigungen lassen nicht lange auf sich warten. Welche? Ich weiss es schon nicht mehr… Sie beleidigen mich, sie lachen mich aus, schubsen mich rum, tun mir weh, in mir drinnen und aussen. Warum nur, ich hab ihnen doch nichts getan, oder? Die Lehrer tun nichts, „Kinderspiele“ nennen sie sowas. Da halt ich nicht mehr aus, ich will nur noch weg. Ich will hier raus, aber die Anderen lassen mich nicht. Etwas zerreisst, etwas in mir, ich raste aus. Von da an stehe ich neben mir, sehe meinem Körper zu wie er versucht, die zu stoppen die mir weh tun, mit Schlägen, Tritten, Würgen, Schubsen… Hauptsache es tut nicht mehr weh.

Einmal pro Woche passiert es etwa. Bald schon tragen die Anderen „den roten Platz“ zu mir, wenn ich nicht mehr zum roten Platz komme. Wieso nur? Ich will doch nur meine Ruhe. Die Erwachsenen sagen, es läge an mir, aber meinen Fehler benennen sie nie und ihre Tipps funktionieren auch nicht… Bin ich falsch?
 

 
Erwachsenengespräche, (zufällig) mitgehörte Gesprächsfetzen (bis ca. 12 Jahre alt):
„… Er ist immer so alleine, er hat keine Freunde, ich weiss nicht was er falsch macht, aber das ist traurig…“
„… ein schwieriges Kind. Er muss immer ärger machen, dabei ist er ja eigentlich gut in der Schule. Er könnte so viel aus sich machen, wenn er nur folgen würde…“
„… schliesst sich immer in seinem Zimmer ein und geht nicht raus. Wie soll er so je Freunde finden? Kein Wunder, dass die Anderen ihn nicht mögen, wenn er immer so eigensinnig und stur sein muss…“
„… er ist ein unverbesserlicher Egoist…“, „… er kann aber auch gar nichts richtig machen…“

Was soll ich davon halten? Als Kind, das versucht sein bestes zu geben, um zu sein wie es erwartet wird. Was heisst das? Bin ich falsch?


Grenzen erkennen:
DER MAGISCHE SATZ: „ Du musst lernen Grenzen zu erkennen.“ Wow, wenn ich für jedes mal, wenn ich den Satz (oder eine Variation) gehört habe 1 CHF gekriegt hätte, müsste ich heute nicht arbeiten,  sondern meinen Banker anrufen und fragen was die Investitionen machen… Sehen wir mal, was du hiervon hältst:
ENDLICH! Schule vorbei, am liebsten würde ich mich nur noch in meinem Zimmer verkriechen und nicht wieder herauskommen… Geht ja leider nicht. Momente später: „RAAAAAAAAFFFIIIIIIII EEEEEEESSSSEEEEEEEEN!“ … Mist, hab eigentlich keinen Bock jetzt runter zu gehen. Aber bringt ja nichts dich jetzt zu sperren. Beim Essen werden prinzipiell Themen angeschnitten die immer gleich lauten und nicht nach der hässlichen Wahrheit fragen. „Wie war‘s in der Schule?“ – „ Absolut beschissen.“ – „Jetzt stell dich nicht so an, so schlimm war’s bestimmt nicht.“ Wieder in meinem Zimmer galt Tür zu, ausschalten. Einzige Garantie? Min. jeden 2. Abend steht ein Elternteil ohne meine Erlaubnis im Zimmer. Im Streitfall, was meist eine 3 – 5 tägige Periode umfasste galt Privatsphäre grundsätzlich nichts, reinplatzen und rumbrüllen lautete die Devise. Der Zimmerschlüssel wird einem weggenommen, der Schliessmechanismus blockiert, „Keine geschlossenen Türen in diesem Haus, respektier das endlich!!“ Dann verdammt nochmal respektier, dass NEIN auch NEIN heisst und eine geschlossene Tür heisst LASS MICH IN RUHE! Aber etwas  Respekt ist wohl zu viel verlangt…

Aber was waren die Grenzen, die ich erkennen lernen sollte? „Du redest oft zu viel.“ Nur weil ich was zu sagen habe, dass mehr als Ja und Amen ist? (Teils hab ich das wohl auch als  „Waffe“ benutzt um Leute auf Distanz zu halten), „Du bist immer wieder stinkfrech.“  Weil ich dir den Respekt verweiger, den du mir auch nicht zollst oder weil ich die Wahrheit sage, auch wenn sie unangenehm ist?, die Liste ist lang aber alles läuft auf die Frage hinaus „Sagst du mir grade, dass ich falsch bin?“


Leider habe ich eben doch zugehört… Aus „Ich bin Anders!“ ist „Ich bin falsch!“ geworden. Das letzte Beispiel ist eine sehr weich gezeichnete Variante dessen, was passiert ist, aber sie zeigt das Problem auf. Während der Lehre war ich für viele ein willkommenes Ziel für Mitstifte, die einen Ego-Boost brauchten, Message: Du bist falsch! Nach einem Beinahe-Zusammenbruch wurde mir mit Ausschluss gedroht, Message: Du bist falsch! Die Klasse schien durchzudrehen nach dem Suizid eines Klassenkameraden, ich wollte das mit Hilfe der Lehrer richten, die Klasse sperrt, mir wird mit Ausschluss gedroht -> Message? Ja, DU BIST FALSCH! Es geht noch weiter, aber lassen wir das jetzt.

So stand ich da, 20.5 Jahre alt, Lehre frisch beendet, ein psychisches Wrack und dort wo mein Selbstwert sein sollte hängt ein Zettel auf dem steht: „ICH BIN FALSCH!“ So bin ich auch ausgezogen.

Seither habe ich versucht zwei Fragen zu beantworten: „Bin ich wirklich falsch?“ und „Was ist richtig?“ Ich bin weit gekommen auf der Reise, hab vieles aufgebaut, viel Geschirr zerschlagen… Jeder, den ich gefragt habe, scheint zwar zu wissen was richtig ist, aber die wenigsten leben danach. Bin ich dann wirklich falsch? Oder war ich überhaupt je falsch? Und ist richtig wirklich richtig, wenn keiner danach lebt?

Vor einer Weile habe ich diese alten Fragen dann verabschiedet, den alten Zettel weggeworfen. Mein Instinkt hat mir nämlich über all die Jahre gesagt „Du bist anders, aber nicht falsch.“ So ging ich der Frage nach, was nun „anders“ heissen soll. Heute weiss ich’s, Anders sein heisst in meinem Fall dem Autismus-Spektrum zuzugehören.

Und die Ausgangsfrage? Nun, ich bin gut 20 Jahre mit dem Strom geschwommen und hatte am Schluss statt einem gesunden Selbstwertgefühl einen Zettel auf dem steht „DU bist flasch!“ Ich meine, sooo falsch ist die Aussage ja nicht, nur unvollständig. Korrekterweise müsste auf dem Zettel stehen „Du bist HIER falsch!“

Ich frage nochmal, ist gegen den Strom schwimmen wirklich falsch? Oder ist es vielleicht nicht eher so, dass das bedeutet, dass wir im falschen Strom sind?


 

Donnerstag, 22. Januar 2015

Tage des Wahnsinns – Alltag

Wir kennen sie alle, die Tage des Wahnsinns. Du steigst mit dem falschen Fuss aus dem Bett und fühlst schon am Morgen früh, dass der Tag verflucht ist. Übermüdet stehst du auf, zu spät natürlich… Und als ob das nicht genügen würde, verschüttest du den Kaffee, die Dusche gibt’s nur in kalt (du musstest es ja unbedingt erst 5 min nach dem Rest des Hauses ins Bad schaffen) und auf halbem Wege zur Arbeit merkst du, dass die Hälfte der Sachen noch zu Hause neben der Eingangstür steht und darauf wartet mitgenommen zu werden.

Bei der Arbeit scheinen die Herren Kollegen gerade simultan ihre Tage bekommen zu haben und  die Damen sind „einfach nur Mal wieder wetterfühlig“. Überempfindlich sind wir an den Tagen ja sowieso.
Zu allem Übel hat sich die Motivation einen Kurzurlaub gegönnt und die Konzentration ist ihr hinterhergeflogen um sie zur Umkehr zu bewegen, doch kaum dort, waren Ferien dann doch interessanter. Vor der Mittagspause stürmt der Chef mit einer Wochenladung Arbeit heran und fordert, diese bis 16:00 des gleichen Tages erledigt auf dem Tisch zu haben… Adé früher Feierabend, ich hatte dich doch soooo gern gehabt.

Zu Hause angekommen blafft der Nachbar Schmitz dich an, der Fernseher sei gestern Abend wieder viel zu laut gewesen (Wir aber waren doch mit Freunden was trinken…) und hätte die arme Hildegard  (Nachbars Katze, ein fettes, verfilztes Fellknäuel kurz vor dem spirituellen Aufstieg zum Catstafari) beim Schönheitsschlaf gestört. Jahaaa, sie gehen ab diese Tage, wie Schmitz‘ Katze nämlich, also gaaaar nich!

Ja, wir kennen sie alle, die Tage des Wahnsinns.

Es sind Tage wie aus dem Bilderbuch... Ein schlechtes Bilderbuch zwar, aber sie machen immerhin gut was her um einen vor Zynismus triefenden Halbseiter zu verfassen.

Nun, im Nachhinein lassen sich solche Tage, die wirklich nur von einem geistesgestörten Regisseur choreografiert worden sein können, mit Humor nehmen. Irgendwie… Nicht aber meine Tage des Wahnsinns, denn ich hab ein anderes Wort dafür: Alltag!

Ich stehe Morgens auf, lasse mich durch den Morgen treiben, bis ich bereit bin das Haus zu verlassen. Das Haus, meine Wohnung, mein Sanktum der Ruhe, mein Rückzugsort, meine Höhle. Hinaus in die Welt, ein Labyrinth, ein oft sinnfreies Konstrukt der Ineffizienz, manchmal auch meine Hölle.

Ich sage seit einer Weile „Du kannst den Stahl an den Feuern messen, in denen er geschmiedet wurde.“, ich sage auch „Ich wurde in den Höllenfeuern geschmiedet.“ Für Aussenstehende mag dies wie die fatalistisch-depressive Überinterpretation eines Mittzwanzigers aussehen, doch wer dies sagt ist nicht einen Schritt in meinen Fussstapfen gegangen.

Entgegen der Erklärungsversuche der Fachliteratur, habe ich keine fixen Rituale oder Routinen die ich Tag für Tag durchlaufe. Ich habe Muster. Diese kommen und gehen, sehe ich mich mit einer neuen Situation konfrontiert, so entwickeln sich diese, verändert sich mein Leben, so verändern sich meine Muster. Vielleicht bin ich mit einer aussergewöhnlichen Freiheit unter Meinesgleichen gesegnet, vielleicht liegt auch die Literatur falsch. Beobachtungen können auch falsch interpretiert werden.

Zurück zum Morgen, ich verlasse das Haus. Die ersten Autos habe ich längst gehört, die ÖV genau so (Wieso muss diese Welt da draussen nur SOOOOO wahnsinnig viel unnötigen Lärm machen? Da, schon wieder, der Wahnsinn.), vor der Tür begegnen mir die ersten Menschen und wenn‘s gut läuft ist mir da die Lust schon vergangen, je nach Menschen. Es scheint sie in allen Grössen, Formen und Farben zu geben, das Spektrum spannt sich jedoch meist von nervig bis nervtötend, die statistischen Ausreisser (also Leute die ich mag) ausgenommen. Gut, das war jetzt leicht überspitzt…

Habt ihr schon mal gesehen, wie ein kopfloses Huhn herumrennt? Ich auch nicht, aber es wird sich wohl kaum zu fest von dem Unterscheiden, was viele der Menschen da draussen machen, wenn sie auf Autopilot schalten und das tun sie dafür umso öfters. Aus Prinzip scheinen sie in den Engpässen stehen zu bleiben, auch muss man ganz vorn ins Tram einsteigen um dann nach ganz hinten durchzulaufen, vorzugsweise dann, wenn man andere Fahrgäste damit am Ein- und Aussteigen hindern kann. Alte Leute sind auch toll, Einkäufe zur Mittagszeit, weil sie ja den ganzen Tag zeit hätten, immer sofort ins Tram drängen und alle anrempeln und beschimpfen, aber den Jungen das Warten, aus dem Weg gehen und Höflichsein abverlangen… Verdammte Scheisse, für ein „soziales Wesen“ ist der Mensch unglaublich asozial in seiner Natur.

Der Tag, eine Abfolge von Stunden, eingepfercht in kleine Räume mit vielen Menschen und viel Lärm, Menschen die plappern und viel unnötigen Lärm machen. Und der Kindergarten erst… Nach nunmehr 4.5 Jahren in der Arbeitswelt wage ich zu behaupten, dass „Arbeit“ sich darum dreht wermitwemjetztwieundwarumnichtoderebendochodernichtmehr klarkommt, durchsetzt mit Kaffekränzchen, Plauderrunden (alias Meetings und Brainstormings, Gehirnstürmungen… Ja so kommt mir das vor. o.O) und einigen wenigen  produktiven Phasen. Und dann behaupten die noch allen Ernstes, es bräuchte Arbeit um Geld zu verdienen… Versteh einer diese Menschen.

Im Regelfall nutzen Menschen die Zeit nach der Arbeit um sich zu sozialisieren, für Sport, oder zum Feiern, heisst ja Feier-Abend… Das ist dann die Zeit in der ich einfach nur noch froh bin mich wieder vor der Welt, dieser Hölle der kopflosen oder dauergackernden Hühner, verstecken darf. Bis zum nächsten Morgen wenigstens…

Kennen wir sie wirklich alle, diese Tage des Wahnsinns?